Presse

Unser Interview für die Presse

Was haben Sie gegen «smarter medicine»?
«smarter medicine» ist ein verwirrender Etikettenschwindel. Unter dem Vorwand, man betreibe eine klügere Medizin wird Rationierung und Vertrauensbruch betrieben mit dem einzigen Ziel, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken.

«smarter medicine» stösst aber doch kaum auf Widerstand…
«smarter medicine» ist eine autoritäre Bewegung, die keinen Widerspruch zulässt, entweder man ist dafür oder man hat noch immer nicht kapiert, dass wir das Gesundheitswesen nicht mehr bezahlen können.

… und setzt sich dafür ein, unnötige Behandlungen zu vermeiden.
«smarter medicine» nimmt eine minimale Zahl von medizinischen Tests und Behandlungen ins Visier, die ohnehin schon als obsolet erkannt sind. Die «smarter medicine» Listen sind ein Vorwand, um auf der Mikroebene die therapeutischen Diskurse mit Rationierung und Vertrauensbruch zu kontaminieren.

Es gibt aber schädliche Medizin!
«smarter medicine» ist eine gesundheits-ökonomisch gesteuerte Bewegung aus der utilitaristischen Bewegung ABIM, eine medizinische Stiftung in den USA. Jede ehrlich gemeinte therapeutische Aktivität kann wirksam sein, aber auch unwirksam oder schädlich. «smarter medicine» nimmt diese Schwäche und macht sie alsTeil der Medizin zum Ganzen («pars pro toto»), «smarter medicine» greift dieses medizinimmanente Risiko frontal an und macht damit die gesamte Medizin obsolet.

«smarter medicine» beruht auf medizinischer Evidenz.
Es gibt keine medizinische Evidenz für «smarter medicine». «smarter medicine» führt zu einem Vertrauensbruch in der Beziehung zwischen Arzt und Patient, was der Arzt tut ist primär schädlich oder unnötig oder dient nur seiner Bereicherung. Es gibt keine Studien, die belegen, dass die Haltung der «smarter medicine»  in der Medizin zu mehr Gesundheit und Kosteneinsparungen führt. Im Gegenteil. Die autoritäre Aufforderung, gewisse Dinge zu unterlassen, führt zu Reaktanz und zu noch mehr Abklärungen.

Warum existiert die «smarter medicine» Bewegung?
«smarter medicine» bedient utilitaristische Konzepte zur Kostenkontrolle im Gesundheitswesen. Ihre Wurzeln reichen wohl bis zu Gruenberg, welcher der Medizin 1977 eine Zunahme der Krankheiten vorwarf (1). Letztlich geht «smarter medicine» davon aus, dass das Gesundheitswesen immer teurer wird, weil die Menschen immer länger leben und damit immer mehr Krankheiten produzieren, Stichwort Krankheitsexpansion. Man will mit «smarter medicine» die Leute von der Inanspruchnahme der Medizin abhalten, damit sie früher sterben, damit sie Krankheiten produzieren und damit sie das Gesundheitswesen finanziell entlasten. Hat man ein bestimmtes Alter erreicht, soll man die Gesellschaft nicht mit Heilungskosten belasten. Im Ergebnis wird man aber die Leute dann doch behandeln müssen, einfach in einem kränkeren und damit teureren Stadium. Versteckt hofft die «smarter medicine» Bewegung natürlich auch darauf, dass gar keine Kosten anfallen, wenn der Patient dann auch noch rasch verstirbt. Mit EXIT kann man da auch nachhelfen, «selbstbestimmt» Suizid zu begehen, wenn es teuer wird. Will man seinen “alten Karren” partout flicken (Hüft-OP ab 85 usw), soll man den Liebhaberpreis selber bezahlen. Das freut natürlich die privaten Krankenversicherungen.  Hier erwartet uns ein riesiges Geschäft mit den alten Menschen, denn schliesslich wollen wir alle möglichst lange in Selbständigkeit leben.

Man kann aber bald nicht mehr alles bezahlen!

Die künftige Rationierungs-Methode nennt sich QALY und wird gerade im Nationalfond Projekt 67 bearbeitet. Heute gehen wir davon aus, dass ein Patient für ein Jahr in guter Lebensqualität rund 150’000 Franken kosten darf, jedenfalls sagen das die Leute von der Strasse: soviel sei man schon noch bereit zu zahlen.  Obwohl die QALY Methode kompletter Quatsch ist,  wird man mit ihr beliebig die Rationierungsschraube anziehen können. Die Limite von 150’000 Franken ist nämlich nicht in Stein gemeisselt.  Die Politik kann dann anhand der “gerechten” QALY Methode jederzeit den Grenzwert senken. Zu was das führt, kann man in England beobachten. Abgeschafft wurde das Modell schon in den Achzigerjahren des letzten Jahrhunderts in Oregon.  Die Schweiz ist gerade dabei, die QALY Methode einzuführen. «smarter medicine»  ist in diesem Szenario ein sehr effizienter Wegbereiter.

Und was meint die Bevölkerung?

Die Aufgabe der Presse wäre es, einen kritischen und informativen Diskurs über die aktuellen Entwicklungen um «smarter medicine» , der Rationierungen mit QALY, der Sterbehilfedebatte im Kontext der Rationierung und den Unterschied zwischen Krankheitsexpansion und Krankheitskompression zu starten. Die aktuellen Entwicklungen um «smarter medicine»  und QALY entbehren jeglicher demokratischen Grundlage. Die Leute wollen leben und gesund bleiben und nicht im Krankheitsfall möglichst rasch entsorgt werden. Diese Dichotomie im Diskurs um die Kosten im Gesundheitswesen gilt es klar zu machen.

Und was wäre die Alternative zu «smarter medicine»?
«smarter medicine» wird das bewirken, wovor sie warnt, eine Krankheitsexpansion. «smarter medicine» behindert durch ihren Diskurs auch die präventiven medizinischen Bemühungen, was wir besonders bei der Cholesterindebatte beobachten (2) und bewirkt damit mehr Tote und Kranke betreffend vermeidbare Krankheiten wie Herzinfarkt, Hirnschlag und Altersdemenz. Das Gegenteil der Krankheitsexpansion ist die Krankheitskompression. Durch eine Verbesserung der Effizienz der Prävention bleiben die Leute viele Jahre länger gesund, produzieren damit viel weniger Krankheiten, und sterben alt ohne grössere Kosten verursacht zu haben. «smarter medicine» torpediert direkt die präventive Medizin und ist damit Teil einer krankmachenden Bewegung. Der einzige menschliche Weg aus dem Dilemma der Gesundheitskosten ist eine Intensivierung der Prävention. Damit kann man auf Dauer 90% der Krankheiten vermeiden (3).

(1)
http://diseasecompression.ch/disease-compression/
http://krankheitskompression.ch/

(2)
http://cholesterinluege.ch/

(3)
http://krankheitskompression.ch/studie/